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,Hate-Speech‘ in einer Fernsehsendung: Haftet der Sender?

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Vor kurzem musste sich der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit „hate-speech“ in einer Fernsehsendung befassen. Fernsehen unterliegt den Bestimmungen des AMD-G (Audiovisuelles Mediendienste-Gesetz). Gemäß § 30 AMD-G müssen audiovisuelle Mediendienste im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten und dürfen nicht zu Hass oder Gewalt aufgrund von Rasse oder Nationalität aufstacheln.

Anlassfall für dieses Verfahren vor dem VfGH war eine live ausgestrahlte Sendung eines privaten Fernsehveranstalters. Einziger Inhalt der Sendung war ein vom Moderator mit seinem Studiogast geführtes Gespräch darüber, wie der Studiogast persönlich die – durch die Coronapandemie geprägte – jüngste Zeit vor dem Interview verbracht habe. Der Studiogast hat im Zuge dieses Gesprächs den Covid-19-Virus als „Schlitzaugenvirus“ bezeichnet und chinesische Staatsangehörige pauschal als minderwertig und primitiv dargestellt. Der Studiogast wurde anschließend wegen Verhetzung (§ 283 StGB) strafrechtlich verurteilt. Gegen den Fernsehsender hat die Komm-Austria ein Verfahren geführt und einen Verstoß gegen § 30 AMD-G festgestellt. Diese Verurteilung wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

Dagegen erhob der Sender eine Beschwerde an den VfGH, weil er sich in der durch Artikel 10 EMRK geschützten Medienfreiheit verletzt sah. Der Sender argumentierte, dass er nicht für die Äußerungen des Studiogasts verantwortlich gemacht werden kann. Der VfGH betonte in seiner Entscheidung, dass „es zum wesentlichen Aufgabenbild von Massenmedien gehört“, in der demokratischen Gesellschaft vertretene Meinungen im öffentlichen Diskurs auch dadurch sichtbar zu machen, dass Personen ihre einschlägige Meinung unmittelbar in den Sendungen vertreten können. Dies gilt auch für kritische, angriffige oder schockierende Meinungen“. Grundsätzlich sind diese von den Personen, die sie äußern, zu verantworten.

Ein Medienunternehmen trifft nur dann bei besonderen Konstellationen eine Verantwortung, wenn in gravierender Weise in die in der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) garantierten Rechte, wie beispielsweise durch eine Hassrede, eingegriffen wird. Diese redaktionelle Verantwortung ist in der Weise wahrzunehmen, dass entweder das entsprechende Interview im Gesamtkontext einer Sendung entsprechend eingeordnet werden kann oder eine Diskussionsrunde entsprechend zusammenzustellen ist. Im vorliegenden Fall war aber der Äußernde der einzige Studiogast und hat der Moderator ihn sogar aufgefordert „Klartext zu reden“. Da der Fernsehsender somit nicht seiner redaktionellen Verantwortung nachgekommen ist, wurde seiner Beschwerde nicht stattgegeben.

 

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