Allgemeine News

Interview eines Bürgermeisters – Amtshaftung?

+

Amtshaftung ist die Haftung des Staates (z.B.: des Bundes, der Länder und der Gemeinden) für einen Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten, wem auch immer schuldhaft zugefügt haben; dem Geschädigten haftet das Organ nicht.

Die Amtshaftung umfasst grundsätzlich die gesamte amtliche Tätigkeit des handelnden Organs. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen auch Äußerungen in einem Interview eines Organs zur amtlichen Tätigkeit zählt, musste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) vor kurzem befassen. Anlassfall war ein Fernsehinterview des

Innsbrucker Bürgermeisters vor einem neu errichteten Gebäude zum Thema einer allfälligen Leerstandsabgabe in Innsbruck. Der Bürgermeister nahm in diesem Interview unter anderem Bezug auf eine durchgeführte Leerstandserhebung und führte aus, dass in diesem Gebäude rund die Hälfte der Wohnungen leer stehen. Die Errichterin dieses Gebäudes klagte den Bürgermeister persönlich auf Unterlassung und Widerruf dieser aus Sicht der Errichterin tatsachenwidrigen Behauptung über den Leerstand in diesem Gebäude. Die Äußerung des Bürgermeisters sei kreditschädigend, weil „dadurch der Eindruck erweckt werde, die Wohnungen seien am Markt nicht verwertbar; dies schrecke potenzielle Anleger ab“. Der Bürgermeister wendete ein, dass er als Organ im öffentlichen Interesse gehandelt habe und somit gemäß den Amtshaftungsbestimmungen nicht persönlich geklagt werden kann. Die beiden Unterinstanzen wiesen die Klage tatsächlich ab, weil der Bürgermeister bei diesem Interview als Organ gehandelt hat und der Rechtsweg gegen ihn persönlich nicht beschritten werden könne. Der OGH teilte diese Meinung nicht, sondern gelangte zu dem Ergebnis, dass der Bürgermeister bei diesem Interview als Privatperson gehandelt hat. Der OGH sprach aus, dass „Interviews ein ,neutrales‘, nach außen in Erscheinung tretendes tatsächliches Verhalten sind“. Entscheidend für die Zuordnung solcher „Informationsrealakte“. Welcher ist Ihr Lösungsansatz – wie können klassische Medien den Diskurs verbessern?

Hier kommt der Konstruktive Journalismus ins Spiel, den ich seit 2016 aktiv mit vorantreibe, auch durch die Mitgründung eines eigenen Online-Magazins, Perspective Daily, damals das erste werbefreie deutschsprachige Angebot für Konstruktiven Journalismus. Dieser rückt die Frage nach dem „Was jetzt?“ in den Fokus. Die Ergebnisse des jährlichen Digital News Report des Reuters Institut zeigen immer wieder, dass sich Nutzer:innen vor allem aus Gründen der vorhin besprochenen Negativität und Hilflosigkeit beziehungsweise aufgrund eines Mangels an Lösungen von den traditionellen Medien abwenden. Die – mittlerweile internationale – Bewegung des Konstruktiven Journalismus stellt der Polarisierung und den sich verhärteten Fronten etwas entgegen. Global beobachten wir teilweise Situationen, in denen Menschen gar nicht mehr miteinander sprechen können, weil sie sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr verstehen – wie zum Beispiel Republikaner:innen und Demokrat:innen in den USA, wo alle zwar Englisch sprechen, aber Wörter wie Wokeness völlig anders besetzt sind. Hier ist kein konstruktiver Austausch mehr möglich. Sie setzen mit Ihrem Journalismus Ansatz quasi schon zuvor an.

Der Ansatz des „Was jetzt?“-richtet den Blick automatisch auf die Zukunft und schaut anders auf Probleme, als es traditioneller Journalismus meist tut. Dabei ist wichtig zu betonen, dass dieser lösungsorientierte oder konstruktive Ansatz Probleme nicht schönredet oder ignoriert, sondern genau das Gegenteil tut: Er nimmt sie so ernst, dass es unausweichlich ist, über den Umgang und potenzielle Lösungsansätze zur Hoheitsverwaltung ist, ob „ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang der Äußerung des Beklagten im inkriminierten Interview zu einer bestimmten hoheitlich zu vollziehenden Materie vorliegt“. Im konkreten Fall verneinte der OGH diesen Zusammenhang, weil die eingeklagten Äußerungen des Bürgermeisters „im Ergebnis nur als Bekräftigung der politischen Forderung nach einer Leerstandsabgabe für die Landeshauptstadt Innsbruck anzusehen sind“. Gemäß dieser Entscheidung können somit grundsätzlich auch Äußerungen eines Organs in einem Interview Amtshaftungsansprüche auslösen, aber nur dann, wenn ein Zusammenhang mit einer „hoheitlichen Materie“ besteht.