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Hauptverhandlung: Wann darf die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden?

Grundsätzlich darf jede Person an einer Hauptverhandlung in einem Strafverfahren teilnehmen. Dieser Grundsatz wird "Volksöffentlichkeit" genannt und entspricht einem Verfassungsgebot. Dadurch soll die Kontrolle der Justiz durch die Öffentlichkeit ermöglicht werden und der Beschuldigte vor "Willkür der Justiz" geschützt werden. Die Öffentlichkeit darf nur wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit, vor Erörterung des persönlichen Lebens-oder Geheimnisbereichs eines Angeklagten, Opfers, Zeugen oder Dritten oder zum Schutz der Identität eines Zeugen oder eines Dritten, ausgeschlossen werden. Solche Ausschlussgründe sind beispielsweise die Erörterung von Umständen, die die Geschlechtssphäre betreffen oder Geschäfts-oder Betriebsgeheimnisse.

Den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließt das zur Entscheidung berufene Gericht von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten oder eines Opfers. Die Verkündung des Urteils hat stets in öffentlicher Sitzung zu erfolgen. Der Ausschluss kann das gesamte Verfahren oder nur einen Teil, beispielsweise die Aussage einzelner Zeugen, umfassen. Sobald vom Gericht der Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit verkündet worden ist, müssen sich alle Zuhörer aus dem Verhandlungssaal entfernen. Der Beschuldigte und die Opfer dürfen aber verlangen, dass drei Vertrauenspersonen der Verhandlung beiwohnen dürfen.

Zum Schutz des Inhalts einer solchen Verhandlung, von der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, gibt es eine eigene strafrechtliche Bestimmung "Verbotene Veröffentlichung". Wer eine Mitteilung über den Inhalt der Verhandlung veröffentlicht, kann zu einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Die Veröffentlichung der Mitteilung, dass eine Verhandlung stattgefunden hat, wann und wo dies geschah und wer an ihr teilgenommen hat, gehören nicht zu den verbotenen inhaltlichen Mitteilungen. Nach der gleichen Bestimmung (§ 301 StGB) kann bestraft werden, wer eine Mitteilung über die Beratung in einem Gerichtsverfahren, über eine solche Abstimmung oder deren Ergebnis veröffentlicht (z.B. Beratung der Geschworenen oder der Beratung in einem Rechtsmittelsenat). Zu den verbotenen Mitteilungen im Zusammenhang mit solchen Beratungen gehören beispielsweise die Bekanntgabe, welche Argumente im Rahmen der Beratung erörtert wurden, wer welche Argumente vertrat und wie von den einzelnen Mitgliedern abgestimmt wurde.

Die Kolumne von Gerald Ganzger erschien im Horizont am 19.5.2023.

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