Unternehmen in der EU waren und sind auf vielfache Weise unfairen Praktiken durch Drittstaaten und bestimmte von ihnen unterstützte Unternehmen ausgesetzt. Dies passiert vor allem dann, wenn Wettbewerber von Drittstaaten zinslose Kredite, unbegrenzte staatliche Garantien, Steuerfreistellungen oder -ermäßigungen erhalten. Zur Sicherstellung eines fairen und freien Wettbewerbs sowie eines offenen Binnenmarktes hat die EU am 14. Dezember 2022 die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen erlassen. Sie gilt allerdings erst ab 12. Juli 2023, die Verpflichtungen der vorherigen (An) Meldung ab 23. Oktober 2023. Abweichendes ist auch für einige formelle Vorschriften normiert.
Mit diesem Rechtsakt werden die Instrumente der Handelspolitik in Bezug auf die Antisubventionsvorschriften der EU ergänzt, welche nur die Schädigung durch den Import von Waren, die von einer drittstaatlichen Subvention profitiert haben, betreffen. Die neue Verordnung geht in eine ähnliche Richtung wie die Verordnung über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. Daneben hat die Kommission angekündigt, den multilateralen Rahmen für Subventionen noch wirksamer zu gestalten. Dabei zeigt sich eine engere Verklammerung von Beihilfe-, Zusammenschlussund Vergaberecht.
Die neue Verordnung gilt für alle Wirtschaftszweige, wobei für die Sektoren Verteidigung und Sicherheit Sonderregelungen bestehen. Die Vorschriften differenzieren nach drei Bereichen, in denen verzerrende Subventionen auftreten: Zusammenschlüsse (vor allem Fusionen), Vergabeverfahren und sonstige Marktsituationen. Der Vollzug erfolgt nicht durch Behörden der Mitgliedstaaten, sondern ähnlich wie in der Beihilfenkontrolle durch die Europäische Kommission. Diese wird entweder aufgrund einer (An)meldung oder von Amts wegen tätig. Darüber hinaus werden der Kommission zahlreiche Befugnisse zur weiteren Ausgestaltung übertragen, insbesondere zur Festlegung verfahrensrechtlicher Details sowie zur Anpassung der Schwellenwerte.
Zur Prüfung finanzieller Zuwendungen durch Drittstaaten sind in der neuen Verordnung drei Instrumente normiert:
Zwei Instrumente der vorherigen Genehmigung, mit denen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die größten Zusammenschlüsse und für Angebote im Rahmen umfangreicher öffentlicher Vergabeverfahren garantiert werden sollen
Ein allgemeines Instrument für alle anderen Marktsituationen sowie von Zusammenschlüssen und öffentlichen Vergabeverfahren geringeren Umfangs.
Das Regelwerk ist an das Regime zum Verbot (mitglied)staatlicher Beihilfen angelehnt. Es sieht aber im Unterschied zu diesem kein grundsätzliches Verbot für drittstaatliche Beihilfen vor, sondern nur bei Verzerrung des Binnenmarktes durch Auswirkungen der Subvention. Diese Auswirkungen sind anhand von Indikatoren zu ermitteln, von denen in der Verordnung einige beispielhaft genannt sind. In der Beurteilung sind allerdings auch positive Auswirkungen zu berücksichtigen. Abhilfe bei der Auslegung sollten die von der Kommission angekündigten Erläuterungen zur Verzerrung bringen. Der durch eine Subvention erlangte Vorteil ist anhand sog. „Referenzwerte“ zu berechnen. Dabei werden die Zuwendungen der letzten drei Jahre addiert.
Für die beiden Kernbereiche Zusammenschlüsse und Vergaben sind jeweils Schwellenwerte vorgesehen, die eine (An) meldepflicht auslösen: Diese greift bei Zusammenschlüssen, wenn eines der beteiligten Unternehmen einen Umsatz von mindestens 500 Mio. Euro in der EU erzielt und eine drittstaatliche finanzielle Zuwendung von mindestens 50 Mio. Euro erfolgt. Bei Vergabeverfahren bezieht sich der Schwellenwert auf den Auftragswert, nämlich mindestens 250 Mio. Euro. Durch derartige Schwellenwerte soll sich der Mechanismus auf große Transaktionen beschränken und sollen KMUs geschont werden. Hingegen profitieren KMUs sehr wohl von diesem System, schützt es doch tendenziell wettbewerbsorientierte Unternehmen, die großen Wettbewerbern ausgesetzt sind, die mittels wettbewerbsverzerrender Subventionen unterstützt werden.
Kommt ein Unternehmen den Anmelde- bzw. Meldepflichten nicht nach, so kann die Kommission dennoch prüfen. Ähnlich wie im Kartellrecht kann die Kommission Geldbußen verhängen und einstweilige Maßnahmen beschließen. Ähnlich wie im Beihilfeverfahren betreffend (mitglied)staatliche Beihilfen ist zunächst eine Vorprüfung durchzuführen und nur in bestimmten Fällen eine sog. „Eingehende Prüfung“ – daneben gibt es auch ein vereinfachtes Verfahren. Die Kommission darf sogar noch ex post prüfen, d.h. nach einem bereits durchgeführten Zusammenschluss oder einer erfolgten Vergabe. Darüber hinaus kann die Kommission in der Regel auch drittstaatliche Subventionen prüfen, die bis zu fünf Jahre vor Inkrafttreten der Verordnung gewährt wurden und nach ihrem Inkrafttreten Verzerrungen auf dem Binnenmarkt verursachen.
Ergibt die Prüfung, dass die negativen die positiven Auswirkungen überwiegen, hat die Kommission bestimmte Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen, die auch strukturelle und nichtstrukturelle Maßnahmen sowie die Rückzahlung der drittstaatlichen Subvention umfassen. Ebenso kann sie Verpflichtungszusagen der betreffenden Unternehmen zur Beseitigung der durch die drittstaatliche Subvention verursachten Verzerrung annehmen. Ähnlich wie in der Zusammenschlusskontrolle kann sie z.B. eine Desinvestition, die Vergabe einer Lizenz oder den Zugang zur gegenständlichen Infrastruktur verlangen. Ebenso kann die Kommission Informationspflichten über Teilnahme an zukünftigen Zusammenschlüssen oder Vergabeverfahren auferlegen. Den schwerwiegendsten Eingriff bilden die Untersagung und das Rückgängigmachen des Zusammenschlusses bzw. die Untersagung der Vergabe.
Zur Abrundung des Kompetenzkataloges der Kommission werden dieser für Wettbewerbsbehörden typische Zuständigkeiten eingeräumt, wie die Durchführung von Marktuntersuchungen oder wie in der Handelspolitik mit dem betreffenden Drittstaat einen sog. „Dialog“ zu führen. Gegen die Akte der Kommission besteht ähnlich wie im EU-Wettbewerbsrecht Rechtsschutz durch die Unionsgerichte (zunächst am Gericht dann am Gerichtshof). Bis sich eine aussagekräftige Rechtsprechung herausgebildet hat, werden schon allein wegen der üblichen Verfahrensdauer noch Jahre vergehen. Mit beträchtlichen Auswirkungen auf große Zusammenschlüsse und Vergabeverfahren, zumindest mit Verzögerungen aufgrund der nun einzuschiebenden Prüfung durch die Kommission, ist hingegen schon früher zu rechnen.