DREHSCHEIBE DUBAI

VAE als neues Wirtschaftszentrum für Europa

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Die VAE haben sich in den letzten Jahren als Drehscheibe für den internationalen Handel, Diplomatie sowie für Energie (Kohlenwasserstoffe als auch erneuerbare Energien) etabliert. Während Europa und die USA mit schwachen Wachstums- prognosen konfrontiert sind, dürfen die GCC-Länder 2023 und 2024 mit einem kräftigen Konjunkturaufschwung und steigenden Wachstumsraten rechnen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) standen schon lange vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im Mittelpunkt von vielfältigen europäischen Interessenslagen. So beläuft sich etwa der Nicht-Öl-Handel der VAE mit der EU auf 51 Mrd. Euro, rund 250 000 Europäer leben aktuell in den VAE und mehr als 4 Millionen europäische Touristen besuchen dieses GCC-Land jährlich. Die herausragende Rolle, die die VAE im Bereich Energie und Handel spielen, wurde auch auf der vergangenen ADIPEC-Konferenz, die als weltweit größte Energieveranstaltung gilt, eindrucksvoll unterstrichen. Die Führung der VAE hat bereits mehrfach ihre Bereitschaft signalisiert, ihre europäischen Freunde und Partner bei der Deckung ihres Energiebedarfs zu unterstützen, nachdem Russland seine Gaslieferungen nach Europa gedrosselt hatte.

Der erste Auslandsbesuch des VAE-Präsidenten führte Mohamed bin Zayed im Juli 2022 nach Frankreich, wo eine umfassende Zusammenarbeit auch im Energiebereich (Lieferung von Diesel) angekündigt wurde. Kurz darauf besuchte der Präsident Griechenland, wo ebenfalls verschiedene Wirtschaftsabkommen unterzeichnet wurden. Die VAE investieren aktuell stark in die Erschließung von Gasfeldern, den Export von Flüssiggas sowie in erneuerbare Energien wie Wasserstoff oder Solarenergie, wo die VAE aufgrund ihrer geografischen und klimatischen Bedingungen einen wichtigen Beitrag leisten können.

Das wachsende Interesse an den VAE als Schlüsselpartner im Energie- und Wirtschaftsbereich wird auch durch die Häufigkeit von diplomatischen Treffen unterstrichen. Beim Besuch des Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel am 8. September 2022 ging es laut offiziellen VAE-Medienberichten darum, die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen zu stärken, darunter auch bei der Bekämpfung des Klimawandels. Einen wichtigen Beitrag werden die VAE durch die Ausrichtung der COP28 im November und Dezember 2023 in Dubai leisten. Im Zuge des Klimaschutzes werden von den VAE das Ziel der Klimaneutralität bis 2050, geplante Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energiequellen (vor allem Solarenergie und Wasserstoff) sowie ihrer eigenen Klimadiplomatie hervorgehoben.

ESIA-ABKOMMEN UNTERZEICHNET

Am 24. und 25. September 2022 stattete der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Anschluss an seine Saudi-Arabien-Reise den VAE in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation einen Kurzbesuch ab, bei dem er mit Präsident Mohamed bin Zayed und der Ministerin für Klimawandel, Mariam Almheiri, zusammentraf. Während des Besuchs unterzeichneten Staatssekretärin Franziska Brantner und Industrieminister Sultan Al Jaber ein zwischenstaatliches Abkommen über Energiesicherheit und industrielle Beschleunigung (ESIA-Abkommen). Dieses umfasst in Form einer gemeinsamen Absichtserklärung Projekte im Bereich der Energieversorgung, der Dekarbonisierung und des Klimaschutzes. Bundeskanzler Scholz betonte gegenüber der Presse, dass es wichtig sei, sich bei der Energieversorgung auf möglichst viele Lieferanten zu stützen und dass sich die derzeitige Abhängigkeit von Russland sicher nicht wiederholen werde.

Konkret wurde zwischen dem deutschen Energiekonzern RWE und dem Staatsunternehmen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) ein Vertrag über die baldige Lieferung von flüssigem Erdgas (LNG) nach Deutschland unterzeichnet. 137.000 Kubikmeter LNG sollen am Importterminal Brunsbüttel für den deutschen Markt angeliefert werden, weitere LNG-Lieferungen sollen noch in diesem Jahr folgen. Darüber hinaus plant das staatliche Unternehmen für erneuerbare Energien Masdar Investitionen in Windparks in der Nord- und Ostsee, die bis zum Jahr 2030 bis zu 10 GW erneuerbare Energie erzeugen könnten. Erwähnt wurde auch die Zusammenarbeit durch innovative Pilotprojekte mit den deutschen Unternehmen Steag GmbH und Aurubis AG zur Bereitstellung von Wasserstoff in Form von Ammoniak.

Kurz darauf traf Bundeskanzler Karl Nehammer gemeinsam mit Finanzminister Magnus Brunner und Energieministerin Leonore Gewessler sowie Vertretern von OMV und ÖBAG am 27. Oktober 2022 mit Präsident Mohamed bin Zayed zusammen, um die starken bilateralen Beziehungen und die Energiekooperation zwischen beiden Ländern zu stärken. Im Zuge des Besuchs wurden daher zwei Vorverträge zwischen OMV und ADNOC über die Lieferung einer Schiffsladung LNG (1 TWh) für den kommenden Winter 2023/24 sowie eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit auf Regierungsebene in Energie- und Industriefragen sowie im Klimaschutz unterzeichnet. Beide Seiten werden konkrete Schwerpunkte definieren, um potenzielle Projekte für Kooperationen zu ermitteln, z.B. in den Bereichen Gas/LNG, Derivate/ Diesel, Sustainable Air Fuels (SAF), Wasserstoff und erneuerbare Energiequellen. Zwischenzeitlich haben die VAE auch umfassende Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Comprehensive Economic Partnership Agreements, CEPAs) mit anderen Teilen der Welt unterzeichnet – etwa mit Israel, Indien oder Indonesien, die zu den größten und am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt gehören. Investitionen in den VAE eröffnen daher auch neue potenzielle Märkte in anderen Teilen der Welt und es besteht ein starkes Interesse daran, solche Abkommen auch mit der Europäischen Union oder europäischen Ländern zu unterzeichnen. Erst kürzlich wurden Verhandlungen über ein CEPA mit der Ukraine aufgenommen.

All diese Bemühungen unterstreichen den Wunsch der VAE, bei der Bekämpfung des Klimawandels eine Vorreiterrolle einzunehmen und sowohl im eigenen Land als auch in Drittländern in erneuerbare Energien zu investieren. Der weitere Ausbau der Handelsbeziehungen steht ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste der VAE-Regierung, ebenso wie Investitionen in Zukunftstechnologien wie KI. Dies eröffnet europäischen Regierungen und Unternehmen gleichermaßen eine Vielzahl potenzieller Kooperationsprojekte.